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10 Latein (1. und 2. Fremdsprache) (3)

Im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 wird die Lektüre lateinischer Originaltexte fortgesetzt. Diese bieten den Schülern neue Zusammenhänge, in denen sie ihr sprachliches Wissen anwenden, die Analyse syntaktischer Strukturen üben und so größere Sicherheit im Verstehen und Übersetzen der lateinischen Texte gewinnen. Ihre wachsende Bereitschaft zu kritischer Auseinandersetzung mit menschlichen Verhaltensweisen und Weltanschauungen versetzt sie in die Lage, politische, soziale bzw. ethische Problemstellungen zu diskutieren, wobei sie vermehrt eigene Überzeugungen in die Interpretation einbringen. Durch Begleittexte oder Zeugnisse aus Kunst und Architektur wird das Interesse der Jugendlichen für kulturelle und geschichtliche Zusammenhänge gefördert.

Mit Cicero lernen sie nicht nur den herausragenden Redner und entscheidenden Vermittler griechischer Philosophie in Rom, sondern auch eine der zentralen politischen Figuren des ersten vorchristlichen Jahrhunderts kennen. Die Lektüre von Auszügen aus seinen Reden gewährt den Schülern einen Eindruck vom hohen Entwicklungsstand der Redekunst sowie von ihrer Bedeutung im öffentlichen Leben der Römer. Briefe von Cicero oder Plinius können ihnen einen sehr persönlichen Einblick in die Lebensart, die Wertvorstellungen und die Struktur der republikanischen bzw. kaiserzeitlichen Gesellschaft Roms vermitteln.

Ovids Dichtung spricht die Jugendlichen durch die eindringliche bildhafte Darstellung mythologischer Themen unmittelbar an, wobei sie sich mit den exemplarisch vorgeführten menschlichen Empfindungen und Erfahrungen identifizieren und zugleich auseinandersetzen können.

Themenbezogene Texte zur Philosophie führen die Schüler in die Biographien bedeutender Philosophen ein und ermöglichen ihnen einen Überblick über grundlegende philosophische Denkansätze der Antike. Ausgewählte Beispiele aus weiteren antiken, mittelalterlichen oder neuzeitlichen Schriften können die Perspektive weiten und auf die zeitlos gültige Bedeutung ethisch-philosophischer und (natur-)wissenschaftlicher Fragen für den Menschen hinweisen.

In der Jahrgangsstufe 10 erwerben die Schüler folgendes Grundwissen:
  • gefestigtes Grundvokabular beherrschen; systematischer Aufbau eines lektürebegleitenden Wortschatzes; Wortschatzarbeit nach wortkundlichen Prinzipien
  • Wörterbuch und Grammatik selbständig verwenden

  • Formen- und Satzlehre; weitere grammatische Strukturen
  • die Struktur komplexer lateinischer Sätze und längerer Satzperioden analysieren; anspruchsvollere lateinische Texte angemessen übersetzen
  • literarische Texte sprachlich und inhaltlich interpretieren; Bewusstsein für die Wirksamkeit und Gefahren der Beeinflussung durch sprachliche Mittel; weitere literarische Gattungen (Epos, Rede, Brief); weitere metrische Erscheinungen; Rezeption literarischer Stoffe und Motive bis in die Gegenwart
  • politische und gesellschaftliche Konflikte in der ausgehenden Republik; Möglichkeiten und Grenzen politischen Wirkens am Beispiel Ciceros; wichtige Merkmale der antiken Rhetorik; ggf. Einblick in die römische Briefliteratur
  • einige wichtige Mythen und mythologische Gestalten; Beispiele für menschliches Schicksal in den Metamorphosen Ovids
  • zentrale philosophische Richtungen der Antike; Leben und Wirken einiger bedeutender antiker Philosophen; einige zentrale Wertvorstellungen der Römer
  • Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit politischen und ethischen Fragestellungen
  • (fachbezogene) Medien zur Erreichung von Arbeitszielen adäquat verwenden

L 10.1 Texte und Autoren

L 10.1.1 Rede und Brief – Kommunikation in der Antike

Die Lektüre von Auszügen aus Cicero-Reden vermittelt den Schülern einen Einblick in die Krisenzeit der ausgehenden Republik. Die Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Staat veranlasst sie, über die Stellung des Einzelnen in der Gemeinschaft nachzudenken. Darüber hinaus lernen sie Ciceros Fähigkeiten als Redner, Anwalt und Politiker kennen. Die Analyse seiner Texte schärft ihren Blick für die Fülle bewusst eingesetzter Mittel der sprachlichen Beeinflussung und für die damit verbundenen Möglichkeiten politischer Manipulation. Ausgewählte lateinische Texte zur Rhetorik können die Lektüre ergänzen. Beispiele aus der lateinischen Briefliteratur können den Schülern Einblicke in verschiedene Aspekte des römischen Lebens gewähren. Gerade die dialogische Struktur der Texte regt die Jugendlichen an, sich damit auseinanderzusetzen, wie Menschen in der Antike mit ihren Problemen umgingen, wie sie sich beruflich bzw. literarisch betätigten oder wie sie ihre Freundschaften pflegten.

Die bei der Brieflektüre behandelten vielfältigen Themen und Fragestellungen können durch weitere Briefe späterer Epochen oder durch lateinische Texte aus der frühen Zeit des Christentums, aus Mittelalter und Humanismus ergänzt werden.

  • Cicero: Auszüge aus einer oder mehreren Reden
  • fakultativ (jedoch nicht mehr als zwei Bereiche):
  • geeignete lateinische Texte zur Rhetorik [→ D 10.1], z. B. Cicero, ggf. mit praktischen Übungen
  • ­Cicero und/oder Plinius d. J.: Auswahl aus den Briefen, z. B. zu folgenden Themen: Sklaverei, private und gesellschaftliche Stellung der Frau, Spannung zwischen otium/negotium, Leben in Rom und in den römischen Provinzen, Umgang mit den Christen, Verhalten in Krisensituationen, Einstellung zur Massenunterhaltung, Fragen der Bildung und des literarischen Lebens

  • weitere Briefe späterer Epochen und/oder christliche, mittelalterliche, humanistische Texte

L 10.1.2 Mythos – Verwandlung und Spiel

Mit den Metamorphosen lernen die Schüler ein dichterisches Werk der Weltliteratur kennen, dessen Autor sich spielerisch-ironisch über die Gattungstraditionen des Epos, des Lehrgedichts und der elegischen Dichtung hinwegsetzt. Die große Bandbreite der behandelten mythischen Themen konfrontiert sie mit einer Fülle unterschiedlicher Verhaltensmuster, deren exemplarischer Charakter sie zur Identifikation wie zur kritischen Auseinandersetzung anregt. Die Welt- und Menschenbilder, die in Ovids Dichtung aufscheinen, bilden in ihren zahlreichen Deutungen und Ausformungen einen wesentlichen Bestandteil der europäischen Kulturgeschichte. Die intensive Beschäftigung mit Rezeptionsdokumenten fördert das ästhetische Empfinden und Urteilsvermögen der Schüler.

  • Ovid: Auszüge aus den Metamorphosen; Überblick über das Werk

 

L 10.1.3 Denken - ein Schlüssel zur Welt

Die Jugendlichen lernen durch eine Auswahl von altersgemäßen Texten bedeutende Persönlichkeiten der europäischen Philosophie in ihrer Denkweise und in ihren Lebensgewohnheiten kennen. Indem sie sich mit unterschiedlichen Sichtweisen zu philosophischen Grundthemen befassen, werden sie angeregt, über Sinn und Gestalt der sie umgebenden Welt nachzudenken. Es entspricht ihrem wachsenden Interesse an Sinnfindung, Fragen der Bewertung menschlichen Handelns und der individuellen Lebensplanung zu erörtern. Auszüge aus Texten verschiedener Epochen veranschaulichen die Bedeutung der lateinischen Sprache für wissenschaftliche Fragestellungen von der Antike bis in die Neuzeit.

  • ­ für die thematische Lektüre geeignete Texte in darstellender, erzählender oder brieflicher Form, z. B. Texte zu bedeutenden Philosophen (Vorsokratiker, Sokrates, Diogenes o. a.); einfache philosophische Texte von Cicero, Plinius, Seneca; Texte christlicher Autoren, z. B. Auszüge aus Laktanz; Erasmus von Rotterdam: Apophthegmata; Überblick über grundlegende philosophische Richtungen der Antike

    Vitruv: Auszüge aus De architectura, Plinius d. Ä.: Auszüge aus Naturalis Historia; Texte zum Wandel des antiken Weltbilds in der frühen Neuzeit (Kopernikus: De revolutionibus o. a.)

L 10.2 Sprach- und Textarbeit

Auf der Grundlage der erworbenen Techniken der Wortschatzarbeit festigen die Schüler ihre Kenntnisse des lateinischen Vokabulars und erweitern dieses durch autorenspezifische Wörter und Wendungen. Sie lernen, das Wörterbuch selbständig als Hilfsmittel zur Lösung von Übersetzungsproblemen zu verwenden. Im Bereich der Grammatik wiederholen sie schwerpunktmäßig elementare Erscheinungen der Formen- und Satzlehre. Gleichzeitig üben sie die Erschließung und Interpretation literarischer Werke.

Bei der Ovidlektüre erarbeiten die Jugendlichen, welche sprachlichen, klanglichen und rhythmischen Mittel der Dichter einsetzt, um menschlichen Erfahrungen und Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Sie analysieren am Beispiel der Reden Ciceros, mit welchen Redestrategien der Redner seine Zuhörer zu überzeugen und in seinem Sinne zu beeinflussen sucht. Sie können bei der Interpretation lateinischer Briefe erkennen, wie sehr die persönliche Beziehung zwischen Briefschreiber und Adressat die Kommunikationsform inhaltlich wie stilistisch prägt.

  • ­weiterer autorenspezifischer Wortschatz (ca. 200 Wörter)

  • selbständiges Einsetzen des Wörterbuchs als Hilfsmittel bei der Textarbeit
  • Übersetzung, Erschließung und Interpretation anspruchsvollerer lateinischer Texte
  • sozial-historischer Kontext der Werke und Autoren
  • Wirksamkeit des Einsatzes sprachlicher und stilistischer Mittel
  • weitere metrische Erscheinungen und ihre Funktion
  • weitere antike literarische Gattungen und ihre Tradition

L 10.3 Antike Kultur und ihr Fortleben

Die Beschäftigung mit philosophischen und wissenschaftlichen Fragestellungen macht den Schülern bewusst, wie sehr das abendländische Denken von der Antike geprägt ist und welche Bedeutung die lateinische Sprache bei der Vermittlung griechischen Gedankenguts hatte. Sie erfahren, dass sich durch die Auseinandersetzung mit schon bestehenden Positionen immer wieder neue Denkansätze entwickeln, die zu einer veränderten Weltsicht führen können. Die Kenntnis wichtiger Mythen und mythologischer Gestalten sowie ihrer Rezeption in Literatur, Musik und Kunst trägt wesentlich zum Verständnis der europäischen Kulturtradition bei. Bei der Lektüre lateinischer Reden und/oder Briefe reflektieren sie unterschiedliche Formen und Zielsetzungen von Kommunikation und Information seit der Antike.

Schwerpunktthemen:

  • Denkansätze europäischer Philosophie und Wissenschaft
  • das Fortwirken griechischen Gedankenguts in der europäischen Geistesgeschichte
  • der römische Staat und seine Gesellschaft in Republik und Kaiserzeit  
  • die Funktion des Mythos als Ausdruck menschlicher Grunderfahrungen
  • das Weiterleben antiker Stoffe und Motive in Literatur, Musik und Kunst; ggf. mit Museums- oder Ausstellungsbesuch
  • ­weitere Gattungen antiker Literatur (Epos, Elegie, Rede, ggf. Brief)

  • die Bedeutung und das Fortwirken der antiken Rhetorik

L 10.4 Methodisches und selbständiges Arbeiten

Die Schüler prüfen ihre Übersetzungsleistungen und sind in der Lage, Fehler auch selbständig zu analysieren. Für die Erschließung neuer Lerninhalte beschaffen sie sich gezielt themenbezogene Informationen, stützen sich dabei auf geeignete Arbeitsmittel und setzen Medien sachgerecht ein. Ihre Arbeitsergebnisse können sie anhand erlernter Präsentationstechniken, aber auch durch den Einsatz rhetorischer Mittel adressatenbezogen, fachadäquat und überzeugend vorstellen.

  • das Wörterbuch als Hilfsmittel zur Lösung von Übersetzungsproblemen selbständig verwenden
  • ­Kenntnisse in lateinischer Prosodie und Metrik anwenden

  • ­Techniken der Satzanalyse einsetzen

  • Verfahren der vergleichenden Sprachbetrachtung bei der Lösung von Aufgaben nutzen
  • weitere Methoden der Erschließung und Interpretation lateinischer Texte
  • Rezeptionsdokumente auswerten, z. B. bildliche Darstellungen zu antiken Stoffen und Motiven
  • mit Fachmedien und Nachschlagewerken selbständig umgehen, Informationen kritisch prüfen
  • ­Thesenpapiere und Zwischenberichte zu fachlichen Themen, auch im Team, erstellen

  • ggf. Projekte zur Antike gestalten, z. B. einen themenbezogenen Studientag mitorganisieren und durchführen

  • Kenntnisse antiker Rhetorik für den eigenen Präsentations- und Vortragsstil nutzen
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