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10 Griechisch (3. Fremdsprache) (SG 4)

Der Unterricht baut auf den in den Jahrgangsstufen 8 und 9 erworbenen Kenntnissen der griechischen Sprache und Geisteswelt auf. Er bildet somit einerseits einen organischen Abschluss und legt andererseits das Fundament für die Jahrgangsstufen 11 und 12. Dabei vertieft er anhand der Lektüre von zentralen Werken der Literatur bedeutsame Bereiche der griechischen Kultur und versucht deren Einfluss auf die europäische Identität deutlich zu machen: Mindestens drei dieser Bereiche – Epos, Philosophie und z. B. Geschichtsschreibung – werden den Jugendlichen exemplarisch vorgestellt. Die Reihenfolge sowie der Umfang der Behandlung der Lektüreblöcke und des Erweiterungsprogramms bleibt der jeweiligen Lehrkraft überlassen. Allerdings sollte die Einstiegslektüre in Jahrgangsstufe 10 Texte in attischer Sprache bieten, um den Schülern den Lektürebeginn zu erleichtern.

Da die Jugendlichen in dieser Altersstufe gegenüber philosophischen Grundfragen zunehmend aufgeschlossen sind, bietet ihnen der Griechischunterricht mit der Gestalt des Philosophen Sokrates und der Geschichtsdeutung im Werk Herodots zwei Möglichkeiten, auf die in den Texten aufgeworfenen Fragen Antworten zu finden und so in eine Kommunikation mit der Vergangenheit zu treten.

Sinnfragen und Lebensperspektiven stehen auch im dritten Lektüreblock an zentraler Stelle: Mit Homers Odysseus lernen die Schüler den Prototyp des Menschen, der unterwegs ist, viele Schwierigkeiten meistern muss und dabei sein Ziel nie aus den Augen verliert, kennen.

Neben die Übersetzungsarbeit tritt die interpretatorische Erschließung der Texte. Diese erfassen die Schüler vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entstehungsbedingungen ihrer Zeit. Die von den Griechen aufgeworfenen Fragestellungen und Denkmodelle sollen die Jugendlichen dazu veranlassen, sich mit diesen kritisch und selbständig auseinanderzusetzen, um Hilfestellung bei der eigenen Wertorientierung zu erhalten.

In der Jahrgangsstufe 10 erwerben die Schüler folgendes Grundwissen:
  • Grundwortschatz, Formenlehre und Syntax sowie Methoden, diese selbständig zu wiederholen, zu festigen und zu erweitern
  • Texte adäquat in gutes Deutsch übertragen, ihre Inhalte verstehen und zusammenfassen
  • sich aus Medien (Lexika, Internet u. a.) Informationen zu Themen der Antike beschaffen, diese kritisch sichten und ansprechend präsentieren
  • Inhalt und Aufbau der gelesenen literarischen Werke, ihre Gattungsmerkmale
  • die Person des Sokrates und ihr philosophisches Wirken
  • Interesse an philosophischen Fragestellungen und der kritischen Auseinandersetzung mit ihnen
  • die Gestalt des Odysseus
  • die Ästhetik literarischer Texte und künstlerischer Werke erkennen
  • Einblick in die vielfältige Rezeption der griechischen Kultur

Gr3 10.1 Sprache und Texte


Das zügige und doch genaue Übersetzen der Texte, das die Grundlage der Interpretation und des vertieften Verständnisses ist, setzt bei den Jugendlichen eine solide Sprachbeherrschung voraus. So ist einerseits eine beständige Wiederholung und Sicherung der erworbenen Sprachkenntnisse erforderlich, andererseits wird durch die Lektürearbeit das Sprachverständnis gefördert.



  • Wiederholung des Grundwortschatzes anhand verschiedener Methoden (z. B. Wortkundearbeit)
  • autorenspezifischer Wortschatz
  • Erschließung unbekannter Wörter mit Hilfe der Wortbildungslehre und Etymologie
  • ggf. Abschluss der Formenlehre und Syntax sowie der Lehrbuchlektüre 
  • Unterschiede der griechischen Dialekte
  • Analyse von komplexeren syntaktischen Erscheinungen (Partizipien, Infinitive, Modi, Konditional- und Temporalsätze)
  • Erfassen der Kerngedanken, Paraphrasieren und Gliedern der gelesenen Texte
  • Sensibilisierung für die sprachliche Gestaltung von Texten und deren Bedeutung für die Interpretation
  • Fähigkeit zur Beurteilung und Bewusstsein für die Problematik gedruckter Übersetzungen
  • Leben und Werk der jeweiligen Autoren

Gr3 10.2 Die Person des Sokrates - der Mensch auf der Suche nach Wahrheit


In der Lektüre ausgewählter Passagen attischer Texte (z. B. Platon, Dialoge; Xenophon, Memorabilien) begegnen die Schüler mit Sokrates einer Persönlichkeit, die bis heute große Faszination, aber auch Widerspruch hervorruft. Sie lernen dessen Biographie und Lebenshintergrund kennen. Im Mittelpunkt steht aber sein philosophisches Wirken: Es wird deutlich, dass Sokrates sich ebenso wie die Sophisten von der Naturphilosophie ab- und dem Menschen zuwendet, sich aber durch sein konsequentes Bemühen um ethische Normen fundamental von diesen unterscheidet.


Im Unterricht werden immer wieder grundlegende philosophische Ansichten des Sokrates thematisiert. Diese regen die Jugendlichen dazu an, sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen und eigene Positionen zu formulieren oder zu überdenken.



Gr3 10.3 Homer, Odyssee - der Mensch auf der Suche nach Identität und Geborgenheit


Die Jugendlichen lernen in Homers Epen den Beginn europäischer Literatur kennen. Sie begegnen der Fremdartigkeit der Darstellung (homerische Kunstsprache) und erkennen die Odyssee als bewusst gestaltetes Kunstwerk. In der Auseinandersetzung mit dem Inhalt erfahren sie archaische Formen menschlichen Welt- und Selbstverständnisses.



  • Entstehungsbedingungen der Literaturgattung Epos (z. B. Gestalt des Sängers; oral poetry)
  • wesentliche Merkmale der homerischen Kunstsprache (z. B. formelhafte Wendungen, Epitheta ornantia, Dialektmischung, daktylischer Hexameter)
  • literarische Gestaltungsmittel (z. B. Rahmenkomposition, Rückblende, Gleichnisse)
  • die weltumfassende Sichtweise der Odyssee (Vielfalt der Lebensbereiche und Charaktere; Durchdringung von menschlicher und göttlicher Ebene)
  • Aufgeschlossenheit für eine frühe Form menschlicher Selbstdeutung anhand der homerischen Vorstellungen von Körper, Seele, Schicksal, Schuld, Leid, Theodizee usw.
  • Überblick über die geistige Linie des Gesamtwerkes: die Suche nach heimatlicher Geborgenheit
  • die Gestalt des Odysseus als Prototyp des Menschen: zwischen Leiden und Agieren, zwischen Zweifel und Zuversicht, zwischen grausamem Handeln und klugem Planen
  • Einblick in die vielfältige Rezeption der Odyssee in Literatur, Kunst und Musik

Gr3 10.4 Herodot, Historien - der Mensch auf der Suche nach geschichtsbestimmenden Kräften


Bei der Auseinandersetzung mit der Geschichtsdeutung Herodots können die Jugendlichen verschiedene Lebensentwürfe und Gesellschaftsformen kennen lernen. Sie begegnen dabei den Problemen der Objektivität und der Frage nach der angemessenen Darstellung historischer Ereignisse. Sie erfahren, dass Geschichte im Sinne Herodots universal ist, Einzelpersonen und Völker mit ihrer gesamten Kultur umfasst und nicht auf Politik und Kriegsgeschichte verengt werden darf. Sie versuchen, heutige Geschichtsdarstellungen, Nachrichten und Informationen an diesem Maßstab zu messen.



  • der Begriff  στορίη; Herodots Bedeutung für die Geschichtsschreibung (pater historiae)
  • Sensibilisierung für die Problematik objektiver Geschichtsbetrachtung
  • Aufgeschlossenheit für die Vielfalt von Völkern und Kulturen; Unterschiede zwischen griechischer und persischer Lebensweise
  • Einsicht in die Problematik, dass das Selbstverständnis einer Gesellschaft sich oft im Kontrast zu anderen entwickelt
  • das herodoteische Geschichts-, Welt-, und Menschenbild: Spannung zwischen eigenem Handeln und dem Einfluss der Götter bzw. des Schicksals (z. B. Solon-Kroisos-Gespräch, Ring des Polykrates)


Gr3 10.5  Präsenz der griechischen Antike


Der Lektüreblock "Präsenz der griechischen Antike" kann als fakultative Erweiterung zu den Bereichen 10.2 - 10.4 hinzutreten oder den Lektüreblock 10.4 ersetzen. Er soll auf die Interessen der Jugendlichen besonders eingehen und ist offen für die jeweiligen Erfordernisse und Projekte, die die Aktualität der griechischen Antike vor Augen führen. Damit können die Schüler verschiedene aktuelle politische, gesellschaftliche oder wissenschaftliche Themen anhand der Texte tiefer durchdringen oder sich auf ein kulturelles Ereignis wie eine Ausstellung, eine Studienfahrt oder einen Schüleraustausch usw. gezielt vorbereiten.

 


Dabei ist unter anderem an folgende Möglichkeiten gedacht:


  • Drama:
    Bei der Beschäftigung mit einem antiken Drama lernen die Schüler die wesentlichen Elemente dieser Gattung sowie deren gestaltende Kraft für das abendländische Theater kennen. Die Auswahl einer griechischen Tragödie oder Komödie kann sich am aktuellen Spielplan der örtlichen oder auch überregionalen Bühnen orientieren.


  • Texte zur Medizin:
    Durch die Beschäftigung mit antiken Texten zur Medizin gewinnen die Jugendlichen ein vertieftes Verständnis für Fragen, die sich auf die Ethik in der Medizin (Eid des Hippokrates u. a.), auf die geistige Bewältigung des Phänomens Krankheit und auf die Persönlichkeit des Arztes beziehen [ K 10.1; Ev 10.5; Eth 10.4].


  • satirische Dialoge:
    Mit den satirischen Dialogen Lukians lernen die Schüler eine Möglichkeit des spielerisch-ironischen Umgangs mit traditionellen Motiven unterschiedlicher Gattungen kennen.


  • Roman:
    Bei der Lektüre eines Romans (z. B. Longos) können die Schüler sowohl die Weiterentwicklung von Motiven und Charakteren des Epos als auch die bedeutende Rolle gerade dieser Gattung für die Literatur der Gegenwart verfolgen.


  • Rede:

    Die Lektüre einer Rede (z. B. Lysias) veranschaulicht den Schülern die Macht des bewusst geformten Wortes und die Problematik von Rhetorik und Moral. Außerdem gewinnen sie einen Einblick in die historischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen.

Grundsätzlich sind in der Lektürephase die Wahl- bzw. Gewichtungsmöglichkeiten innerhalb der einzelnen Blöcke (gekennzeichnet durch und/oder, oder, fakultativ, z. B.) zu beachten, die eine individuell auf den Kenntnisstand der Schüler abgestimmte Stoffverteilung ermöglichen.

Gr3 10.6 Methodisches und selbständiges Arbeiten


Die Jugendlichen sind an die grundlegenden Arbeitstechniken schon gewöhnt, die Eigenverantwortung und der Umfang der Arbeitsaufträge werden gesteigert.



  • eigenverantwortliches Wiederholen, Vertiefen und Festigen von Wortschatz und Grammatik, ggf. selbständiges Schließen von Lücken
  • selbständiger Umgang mit Hilfsmitteln (z. B. Grammatik, Wörterbuch, Kommentaren, Computer, Internet)
  • Erkennen der Möglichkeiten und Grenzen des Umgangs mit Übersetzungen
  • Präsentieren eigener Arbeitsergebnisse, z. B. durch Referate, Thesenpapiere, Diskussionsbeiträge
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