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Russisch-Orthodoxe Religionslehre
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In Jahrgangsstufe 9 geht es sowohl um eine Vertiefung der Innenansicht der Orthodoxie als auch um eine Ortsbestimmung angesichts der Kräfte und Bewegungen, die – von den Schülern mehr oder minder bewusst erlebt – deren Lebenswelt bestimmen. Die Schüler werden sich der Eigenart und der Wirkungen dieser Kräfte und Bewegungen bewusst und werden dazu herausgefordert, ihr eigenes orthodoxes Selbstverständnis zu klären und zu vertiefen. Dazu gehört die Einsicht, dass und wie Orthodoxie nicht abstrakt „rechte Lehre“ ist, sondern rechte Lobpreisung Gottes, und mehr noch: Offenbarung der „doxa“, der wahren Herrlichkeit des dreipersönlichen Gottes, die sich im Glauben und in der Liturgie zugleich mit dem persönlichen und zwischenpersönlichen Lebensbereich verwirklicht.
In der Jahrgangsstufe 9 erwerben die Schüler folgendes Grundwissen:
- die Erfüllung der Gebote als Ermöglichung unserer Gemeinschaft mit Gott begründen können
- orthodoxe Kriterien für den Umgang mit Liebe und Sexualität kennen
- Aufbau und Hymnen der Göttlichen Liturgie kennen und erläutern können
- Stationen der russischen Kirchengeschichte von der Errichtung der Autokephalie bis zum Jahre 1700 kennen
- Wesensmerkmale evangelischer Frömmigkeit und Theologie aus orthodoxer Sicht erläutern können
ROrth 9.1 Der Sinn der Gebote [→ K 9.1]
Die Schüler setzen sich mit der orthodoxen Sicht von Sünde auseinander. Dabei entdecken sie, dass Sünde mehr ist als nur die Übertretung eines Befehls und deren Ahndung. Die Sünde verstümmelt das Leben, das aus Gott ist und durch stete Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott zu entfalten ist – nicht nur als fernes Ziel, sondern auch als immerwährende Fülle (Joh. 1, 4). Die Folgen der Sünde Adams waren: Entfremdung, Verlust des Paradieses, Schmerz und Tod. Die Entfernung des Menschen aus dem Paradies, damit er sich nicht im dämonisierten Zustand verewige, erkennen die Schüler als Fürsorge, den Tod als Schritt zur höheren Wiederherstellung. Die Frucht des Sieges Christi, der die Gebote erfüllte, waren die ewige Überwindung des Todes, mehr als die Rückkehr ins Paradies – Vollendung. Somit erkennen die Schüler, dass die Erfüllung der Gebote Gottes der Eintritt in und die Teilnahme an der Erfahrung Christi ist: Befreiung aus der Abhängigkeit von der Materie und der engen Diesseitigkeit.
- Gebote als Wort Gottes und als Quelle des Lebens: Erfüllung der Gebote als Ermöglichung unserer Gemeinschaft mit Gott (Joh 14, 21)
- das Gebot des Fastens im Paradies, die Zehn Gebote als Lebensregeln, die Fasten-Vorschriften der Kirche als Lebensregeln
ROrth 9.2 Liebe und Sexualität im Lichte der Orthodoxie [→ K 9.4; Ev 9.3; L 9.1.2; Sk 9.4]
Die Einstellung vieler Jugendlicher zu ihrem Körper und ihrer Geschlechtlichkeit ist abhängig von Erfahrungen mit sich selbst und mit Gleichaltrigen, aber auch von oft schrankenloser Darstellung der Sexualität in den Medien. Im orthodoxen Religionsunterricht werden diese Erfahrungen der Schüler ernst genommen und den vielfach einseitig verkürzten Vorstellungen wird der orthodoxe Zugang zur Leiblichkeit entgegengesetzt. Im Bemühen um ganzheitlich-spirituelle Erneuerung trennt die Kirche nicht die Seele und den Leib. Der ganze Mensch ist von Gott abgefallen und der ganze Mensch ist in Jesus Christus wieder hergestellt; der Leib ist verherrlicht, der Körper ist als Tempel Gottes heilig (1 Kor 6), beginnend mit der Fleischwerdung des Gottessohnes. Die Schüler lernen, dass nach christlichem Menschenbild Sexualität im Einklang mit Verantwortung und liebender Zuwendung gegenüber Gott, dem Nächsten und dem Leben von Kindern zu sehen ist.
- gängige Vorstellungen von Liebe und Sexualität, z. B. in der Werbung, im Internet; Dilemmageschichten, z. B. zu ungewollter Schwangerschaft, Abtreibung, AIDS
- Begriff „Leidenschaft“, Pathos und Pathologie (z. B. wie Liebe durch Sexualität zerstört werden kann)
- orthodoxe Kriterien für den Umgang mit Liebe und Sexualität: christliches Menschenbild (Achtung vor der Person des Nächsten), Berufung des Menschen zur Vergöttlichung, die sakramental verstandene Ehe als Realisierung des Ideals der Keuschheit unter den Lebensbedingungen des Laien
ROrth 9.3 Die Göttliche Liturgie
Orthodoxes Leben wurzelt in der Göttlichen Liturgie. Die Schüler lernen die Bedeutung der eucharistischen Versammlung, der Hymnen und Handlungen der Eucharistiefeier verstehen, bei denen die Grenzen zwischen Himmel und Erde, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bzw. Endzeit überschritten werden. Diese Dynamik durchzieht die Liturgie, in der zum einen die himmlische Welt abbildlich dargestellt und zum anderen mit ihr gemeinsam die gesamte Heilsökonomie erfahren wird. Die Schüler nehmen die eigene Identität als Orthodoxe in der Diaspora nicht im Sinn einer Doktrin oder eines Organisationssystems wahr, sondern als Teilnahme am umfassenden liturgischen Mysterium, in dem die Gemeinde als Leib Christi lebt.
- Aufbau der Göttlichen Liturgie
- Texte aus der Göttlichen Liturgie
- Teilhabe an der Göttlichen Liturgie als den ganzen Menschen umfassender Vollzug
ROrth 9.4 Geschichte der Russisch-Orthodoxen Kirche II: 1448 – 1700
In Weiterführung von Lernziel 8.3 befassen sich die Jugendlichen mit der Errichtung der Autokephalie der Russischen Kirche 1448 und mit der Periode des ersten Moskauer Patriarchats 1589-1700. Dabei nehmen die Schüler sowohl die positiven Seiten der Lage der Russischen Kirche im Moskauer Staat (z. B. Prägung der Kultur) wahr als auch die Gefährdung kirchlich-geistlicher Autonomie durch das Staatskirchentum. In Grundzügen lernen die Schüler kirchengeschichtliche Stationen:
- vor der Gründung des Patriarchats: die Häresie der „Judaisierenden“, hl. Iossif Wolozki und Nil Sorski, die Tätigkeit des Metr. Makari v. Moskau und die Stoglaw-Synode, die Missionsarbeit der Russischen Kirche, hl. Metr. Philipp v. Moskau und Zar Iwan IV.
- Gründung des Patriarchats (1589), hl. Patr. Germogen und die Zeit der Wirren (1605-1613), Patr. Nikons Reformen und das Schisma („Altgläubige“)
- Peter I. und seine Reformen
ROrth 9.5 Andere Konfessionen II: Die Evangelische Kirche [→ Ev 9.5]
Die Schüler haben bereits Kenntnisse über die römisch-katholische Kirche, nun lernen sie charakteristische Merkmale reformatorisch-protestantischen Glaubens- und Gemeindeverständnisses kennen. Dazu ist es notwendig, sich auch mit den geschichtlichen Entwicklungen und mit den sachlichen Gründen zu beschäftigen, die zur Spaltung der Westkirche geführt haben. Die Charakterisierung der evangelischen Kirchen berücksichtigt besonders den orthodoxen Blick auf ihre Theologie und Ekklesiologie.
- Martin Luther und die Reformation im Überblick: Gründe und Folgen
- evangelisches Verständnis von Glaube, Frömmigkeit, Kirche als Gemeinde: die Rolle der Bibel, Glaube als persönliches Verhältnis zu Christus, Sakramente und Amt
- evtl. auch die Schweizer Reformation
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