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Bayerisches Staatsministerium
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Orthodoxe Religionslehre
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In Jahrgangsstufe 9 geht es sowohl um eine Vertiefung der Innenansicht der Orthodoxie als auch um eine Ortsbestimmung angesichts der Kräfte und Bewegungen, die – von den Schülern mehr oder minder bewusst erlebt – deren Lebenswelt bestimmen. Die Schüler werden sich der Eigenart und der Wirkungen dieser Kräfte und Bewegungen bewusst und werden dazu herausgefordert, ihr eigenes orthodoxes Selbstverständnis zu klären und zu vertiefen. Dazu gehört die Einsicht, dass und wie Orthodoxie nicht abstrakt „rechte Lehre“ ist, sondern rechte Lobpreisung Gottes, und mehr noch: Offenbarung der „doxa“, der wahren Herrlichkeit des dreipersönlichen Gottes, die sich im Glauben und in der Liturgie zugleich mit dem persönlichen und zwischenpersönlichen Lebensbereich verwirklicht.
In der Jahrgangsstufe 9 erwerben die Schüler folgendes Grundwissen:
- das Leben der wichtigsten Kirchenväter bis zum hl. Johannes Damaskenos in Grundzügen wiedergeben können
- die Geschichte der Kirche im Osmanischen Reich und im aufstrebenden Russischen Reich umreißen können
- aus der Reflektion der christlichen Ethik in Fragen der Menschenwürde und des Lebensschutzes christliche Werthaltungen begründen können
- die Erfüllung der Gebote als Ermöglichung unserer Gemeinschaft mit Gott begründen können
- Wesensmerkmale evangelischer Frömmigkeit und Theologie aus orthodoxer Sicht erläutern können
Orth 9.1 Einführung in die Patrologie
Aus der Kirchengeschichte kennen die Schüler Persönlichkeiten, deren Glaubenszeugnis und Mut zur Verteidigung der Orthodoxie beitrug. Die Schüler erkennen, wie die heutigen wissenschaftlichen Auffassungen im Licht des patristischen Geistes vertieft werden können, und kennen Grundlinien der kirchenväterlichen Literatur.
- Ignatius v. Antiochien, Polykarp v. Smyrna, Irenäos v. Lyon, Justin der Märtyrer, Kyprian
- Origenes, Athanasios, die drei Kappadokier, Chrysostomos, Maximos der Bekenner, Johannes Damaskenos (Leben und wichtigste Themen ihrer Werke)
- Umgang der Väter mit Fragen aus Politik und Kultur, Wissenschaft und Philosophie, Wirtschaft und Ökologie; ihre Bedeutung für heute: z. B. Hexaemeron des Hl. Basileios, Predigten von Johannes Chrysostomos, Einsatz Gregors des Theologen für die Bildung; Logoslehre des Maximos des Bekenners
Orth 9.2 Der Sinn der Gebote [→ K 9.1]
Die Schüler setzen sich mit der orthodoxen Sicht von Sünde auseinander. Dabei entdecken sie, dass Sünde mehr ist als nur die Übertretung eines Befehls und deren Ahndung. Die Sünde verstümmelt das Leben, das aus Gott ist und durch stete Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott zu entfalten ist – nicht nur als fernes Ziel, sondern auch als immerwährende Fülle (Jo 1, 4). Die Folgen der Sünde Adams waren: Entfremdung, Verlust des Paradieses, Schmerz und Tod. Die Entfernung des Menschen aus dem Paradies, damit er sich nicht im dämonisierten Zustand verewige, erkennen die Schüler als Fürsorge, den Tod als Schritt zur höheren Wiederherstellung. Die Frucht des Sieges Christi, der die Gebote erfüllte, waren die ewige Überwindung des Todes, mehr als die Rückkehr ins Paradies – Vollendung. Somit erkennen die Schüler, dass die Erfüllung der Gebote Gottes der Eintritt in und die Teilnahme an der Erfahrung Christi ist: Befreiung aus der Abhängigkeit von der Materie und der engen Diesseitigkeit.
- Gebote als Wort Gottes und als Quelle des Lebens: Erfüllung der Gebote als Ermöglichung unserer Gemeinschaft mit Gott (Jo 14, 21)
- das Gebot des Fastens im Paradies, die Zehn Gebote als Lebensregeln, die Fasten-Vorschriften der Kirche als Lebensregeln im Vergleich zu Regeln und Gesetzen der Menschen
- mit den Folgen der Missachtung der Gesetze und Regeln der Menschen, aber auch der Gebote Gottes vertraut sein: z. B. StGB oder Haftstrafe und das Gleichnis vom Weltgericht (Mt 25,31-46) oder vom Reichen und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31)
Orth 9.3 Liebe und Sexualität im Licht der Orthodoxie [→ K 9.4; Ev 9.3; L 9.1.2; Sk 9.4]
Die Einstellung vieler Jugendlicher zu ihrem Körper und ihrer Geschlechtlichkeit ist abhängig von Erfahrungen mit sich selbst und mit Gleichaltrigen, aber auch von oft schrankenloser Darstellung der Sexualität in den Medien. Im orthodoxen Religionsunterricht werden diese Erfahrungen der Schüler ernst genommen und den vielfach einseitig verkürzten Vorstellungen der orthodoxe Zugang zur Leiblichkeit entgegengesetzt. Im Bemühen um ganzheitlich-spirituelle Erneuerung trennt die Kirche nicht die Seele und den Leib. Der ganze Mensch ist von Gott abgefallen und der ganze Mensch ist in Jesus Christus wieder hergestellt; der Leib ist verherrlicht, der Körper ist als Tempel Gottes heilig, beginnend mit der Fleischwerdung des Gottessohnes. Die Schüler lernen, dass nach christlichem Menschenbild Sexualität im Einklang mit Verantwortung und liebender Zuwendung gegenüber Gott, dem Nächsten und dem Leben von Kindern zu sehen ist.
- gängige Vorstellungen von Liebe und Sexualität kritisch bewerten, z. B. in der Werbung, im Internet; Dilemmageschichten: z. B. zu ungewollter Schwangerschaft, Abtreibung, AIDS
- orthodoxe Kriterien für den Umgang mit Liebe und Sexualität begründen: über die Goldene Regel hinaus zur Entdeckung der Einzigartigkeit im personalen Gegenüber (Ich-Du-Wir – das dialogische Prinzip)
- Berufung des Menschen zum ewigen Leben
- die alttestamentliche Sicht der Überwindung des Todes durch Kindersegen darstellen
- die neutestamentliche Sicht (z. B. 1.Kor 6-7; Eph 5) vom Mysterium der Ehe in der die Leidenschaft des Menschen verwandelt wird
- die Tugend der Keuschheit in Ehe und Mönchtum
Orth 9.4 Die Kirche im osmanischen und im russischen Reich
In Weiterführung von Orth 8.3 befassen sich die Jugendlichen mit der Rolle des Patriarchen von Konstantinopel als Ethnarchen und der Lage der orthodoxen Gläubigen im Osmanischen Reich in den Ortskirchen allgemein. Auf dem Balkan wird die Kirche unterdrückt, während im Norden die Befreiung vom Tatarenjoch vollendet, die Autokephalie der Russischen Kirche (1448) und das erste Moskauer Patriarchat (1589-1700) errichtet wird. Das Selbstverständnis Moskaus als verantwortliche Schutzmacht für die Orthodoxie führt zur Intensivierung der Kontakte mit anderen Nationen und mündet in ein Staatskirchentum nach westlichem Vorbild.
Die Schüler erkennen die Herausforderungen an die Glaubensbewahrung in der Unterdrückung und in der Machtentfaltung.
- die Christen im Osmanischen Reich und der Patriarch von Konstantinopel als Ethnarch
- herausragende kirchliche Persönlichkeiten der nationalen Ortskirchen vom 15. bis 19. Jh. (z. B. Bulgarien, Griechenland, Rumänien, Serbien, Russland: Iosif von Volock und Nil Sorskij, Makarij, Philipp und Germogen von Moskau, Patriarch Nikon und Mitrofan von Voronež, Arsenij Macievič, Neagoe Basarab, Konstantin Brancoveanu, Paisij Veličkovskij)
- Gründung des Patriarchats von Moskau (1589) und die weitere Entwicklung
- Zar Peter I. und seine Reformen
Orth 9.5 Andere Konfessionen II: Die Evangelische Kirche [→ Ev 9.5]
Die Schüler haben bereits Kenntnisse über die römisch-katholische Kirche, nun lernen sie charakteristische Merkmale reformatorisch-protestantischen Glaubens- und Gemeindeverständnisses kennen. Dazu ist es notwendig, sich auch mit den geschichtlichen Entwicklungen und mit den sachlichen Gründen zu beschäftigen, die zur Spaltung der Westkirche geführt haben. Die Charakterisierung der evangelischen Kirchen berücksichtigt besonders den orthodoxen Blick auf ihre Theologie und Ekklesiologie.
- Martin Luther und die Reformation im Überblick: Gründe und Folgen
- evangelisches Verständnis von Glaube, Frömmigkeit, Kirche als Gemeinde: die Rolle der Bibel, Glaube als persönliches Verhältnis zu Christus, Sakramente und Amt
- evtl. auch die Schweizer Reformation
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