Die Definition der Lesekompetenz, wie sie unter anderem in der PISA-Studie vorgenommen wurde, bezieht so genannte „diskontinuierliche“ („nicht-lineare“) Texte ausdrücklich mit ein. Dies entspricht nicht nur dem modernen Verständnis, was ein Text sei, sondern steht auch im Einklang mit der Lebenswirklichkeit. Nicht nur Schüler müssen in ihrem Alltag eine wachsende Anzahl von diskontinuierlichen Texten verstehen, und das Medium Internet sorgt dafür, dass diese Tendenz noch zunehmen wird. Es ist daher eine wichtige Aufgabe eines zeitgemäßen Deutschunterrichts, sich sowohl den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch der Lebenswirklichkeit zu öffnen. Aus den gleichen Gründen ist das Verstehen von nicht-linearen Texten auch Teil der KMK-Bildungsstandards.
Neben den im Lehrplan ausgewiesenen Verbindungen zu den Fächern Mathematik und Geographie existieren auch in fast allen anderen Fächern Möglichkeiten, das Auswerten von Graphiken fächerübergreifend zu schulen. Dies zeigt einmal mehr die Leitfunktion des Deutschunterrichts und spiegelt indirekt die Tatsache wider, dass die Lesekompetenz einen zentralen Faktor für den schulischen Erfolg insgesamt darstellt.
Im Fach Mathematik wird beim Arbeiten mit Diagrammen in der Jahrgangsstufe 7 auf die Schulung der Urteilsfähigkeit großer Wert gelegt. Es wird also versucht, den mitunter manipulativen Charakter von graphischen Darstellungen zu erkennen und zu problematisieren. Dies überschneidet sich mit Fragestellungen, die im Fach Deutsch von Interesse sind, z. B. ob eine Aussage aus einem Diagramm ableitbar ist oder nicht. Ebenso wichtig ist die Verbalisierung von Informationen bzw. die Überführung von graphischen Informationen in einen Text. Die Bücher für Mathematik enthalten Übungsbeispiele, die durchaus auch für den Deutschunterricht verwendet werden können.
Zum Auswerten von Graphiken eignen sich z. B. Aufgabenformate, wie sie in den Jahrgangsstufentests im Fach Deutsch zum Einsatz kommen. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass das Auswerten von Graphiken auch durch Verschriftlichung oder durch mündliches Erklären erfolgen kann. Die Überführung einer graphischen Darstellung in einen – auf dieser Jahrgangsstufe eher noch kürzeren – kohärenten Text oder eine mündliche Darstellung erfordert das Zusammenwirken mehrerer Kompetenzen und sollte als Übung gleichfalls in Betracht gezogen werden. Die Fachschaft Deutsch könnte darauf einwirken, dass sich auch andere Fächer dieser Übungsformen bedienen. Dies setzt ein fächerübergreifendes Signal und entlastet den Deutschunterricht.
In der Unterrichtspraxis hat sich gezeigt, dass es den Schüler in der Regel sehr viel Freude bereitet, zu vorgegebenen Diagrammen eigene Aufgaben zu entwerfen, die dann gemeinsam in der Klasse bearbeitet werden. Im Rahmen einer Intensivierungsstunde kann dies zur Binnendifferenzierung genutzt werden, z. B. indem Diagramme unterschiedlicher Komplexität zur Verfügung gestellt werden oder indem leistungsstarke Schüler Aufgaben entwerfen, während die übrigen in der Zwischenzeit anderweitig üben, ehe die Übungen in der Gruppe gemeinsam gelöst und besprochen werden.
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