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Kirchengeschichte im RU

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Schülerinnen und Schüler sind erfahrungsgemäß auf Anhieb nicht von Kirchengeschichte im Religionsunterricht begeistert. Dieser Unterricht handelt schließlich von einer Institution und deren Vergangenheit, der sie meist kritisch oder distanziert gegenüberstehen. Sie empfinden eine Kluft zwischen ihrer Lebenswirklichkeit und den Fakten und Ereignissen der Vergangenheit. Ein Anliegen des Religionsunterrichts ist es allerdings, den Schülerinnen und Schülern plausibel zu machen, dass die Geschichte für unser Mensch-Sein heute relevant und für die Zukunft wesentlich ist. Diese Zwickmühle erfordert von den Lehrkräften manchmal mehr didaktisches und methodisches Gespür als beispielsweise die Vermittlung ethischer Inhalte im Religionsunterricht, deren Relevanz für die Lernenden offenkundiger ist. Um kirchengeschichtliche Lerninhalte im Religionsunterricht zu vermitteln, sollte der Unterricht dialogisch und erfahrungsorientiert sein. Dialogisch, weil Lehrkräfte (sowie die von ihnen vermittelten Inhalte) und Schülerinnen und Schüler (und deren Interessen) Subjekte des Unterrichts sind, die miteinander in Dialog treten und eigenständig Dinge klären. Erfahrungsorientiert, weil Lehrkräfte darum bemüht sind, kirchengeschichtliche Grundthemen mit der Erfahrungswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler in Verbindung zu bringen. Dies kann ein lebensgeschichtlich-biographischer Zugang zur Kirchengeschichte sein, der die Schülerinnen und Schüler dazu anregt, sich für die Vergangenheit und ihre Bedeutung für die von ihnen erlebte Gegenwart zu interessieren.

Die Orientierung an der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler kann Lehrkräfte zu Fragestellungen inspirieren, die dazu motivieren, die Kluft zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu überwinden. Das könnten so grundlegende Fragen sein wie: Warum trage ich diesen Namen? Welche Friedhöfe, Diakoniestationen kenne ich? Warum gibt es die Caritas und das Diakonische Werk mit ganz ähnlichen Aufgaben? Warum sieht eine Kirche so aus, wie sie aussieht? Warum bezahlen wir Kirchensteuern? Warum predigen die Religionen den Frieden und werden dennoch oft für die Rechtfertigung von nationalen und ethischen Konflikten missbraucht?

Selbstverständlich beinhaltet das Anknüpfen an die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler nicht nur, die richtigen Fragen zu stellen, sondern auch Bilder, Symbole, Denkmäler etc. aus deren Umfeld wahrzunehmen und zu erschließen.

Ebenso wichtig ist es aber auch, dass Schülerinnen und Schüler mit Lerninhalten konfrontiert werden, die anders sind als ihre Lebenswirklichkeit, denn auch die Differenz kann dazu beitragen, die eigene Lebenswirklichkeit zu hinterfragen. Um die Trennung zwischen damals und heute zu überwinden, ist es hilfreich, Methoden im Religionsunterricht einzusetzen, die möglichst viele Sinne aktivieren. Im Grundsatztext „Methoden im Religionsunterricht“ werden einige Methoden vorgestellt, die selbstredend immer zu Inhalt und Jahrgangsstufe sowie zur Lehrerpersönlichkeit passen müssen, um Schülerinnen und Schüler nachhaltig dazu anzuregen, kirchengeschichtliche Lerninhalte durch ihre eigenen Fragen zu erschließen. Ein methodisch abwechslungsreicher Unterricht kann dazu beitragen, dass sich die Lernenden intensiver mit ihrem eigenen Denken sowie Anstößen, die von Texten, Bildern, Filmen etc. ausgehen, auseinandersetzen.

An dieser Stelle sollen drei Methoden vorgestellt werden, denen speziell im kirchengeschichtlichen Religionsunterricht eine charakteristische Bedeutung zukommt, weitere methodische Ideen und Impulse sind im Grundsatztext „Methoden im Religionsunterricht“ nachzulesen.

1. Narrative Methoden im kirchengeschichtlichen Unterricht

Beim Einsatz von narrativen Methoden im kirchengeschichtlichen Unterricht sollten entwicklungspsychologische Voraussetzungen der Lernenden und didaktische Konsequenzen für den Religionsunterricht bedacht werden. Aus der Grundschule kennen die Schülerinnen und Schüler vorwiegend eine narrative Geschichtsvermittlung, bei der einzelne Personen der Kirchengeschichte im Mittelpunkt stehen. Erst in der Unterstufe des Gymnasiums wird der eigentliche Unterricht in Kirchengeschichte sowie in Geschichte möglich, da sich zu diesem Zeitpunkt ein Bewusstsein für historische Zusammenhänge und die Fähigkeit, andere Perspektiven einzunehmen, ausbilden. Aus der Erfahrung, dass Schülerinnen und Schüler eher die geschichtliche Persönlichkeit oder deren Handlung und weniger überindividuelle Stoffe wie staatlich-politische Zusammenhänge bevorzugen und verstehen, ergibt sich mitunter die Forderung nach einer personalisierten Darstellung der Geschichte. Das Ziel des biographischen Lernens als Lernen an fremden Biographien ist es, zur Identitätsentwicklung und Subjektwerdung der Jugendlichen beizutragen. Kritiker meinen, dass ein solcher Geschichtsunterricht zu politischer Apathie führen würde (Ohnmacht im Angesicht der Taten „großer Männer“). Eine ausschließliche Behandlung von gesellschaftlich-politischen Zusammenhängen könnte aber umgekehrt bei den Schülerinnen und Schülern den Eindruck erwecken, dass der Einzelne im Grunde gar nichts bewirken kann. Eine sinnvolle Konsequenz aus dieser Diskussion kann nicht die Alternative: Person oder gesellschaftlich-politische Zusammenhänge sein; man wird vielmehr im Anfangsunterricht stärker einen narrativen Ansatz bevorzugen, bei dem historische Persönlichkeiten in der Erzählung im Mittelpunkt stehen. Mit wachsendem Alter sollten die gesellschaftlich-politischen und kirchlichen Zusammenhänge stärker berücksichtigt werden, was wiederum nicht bedeuten muss, dass in den mittleren und höheren Klassen der Sekundarstufe I und II auf Erzählungen über historische Persönlichkeiten verzichtet werden sollte, denn gerade Jugendliche brauchen Leitbilder, mit denen sie sich identifizieren oder von denen sie sich abgrenzen können.

Die Methode des Erzählens eignet sich besonders zur Motivation, denn das Schülerinteresse wird durch konkrete Geschichten und Informationen eher geweckt als durch abstrakte Fakten und Impulse. Vom Konkreten ausgehend, kann dann im Unterricht der Weg zur Begriffsbildung, zur Erkenntnis und zur Abstraktion gesucht werden.

Möglichkeiten der methodischen Weiterführung:

· Untersuchen und Auswerten der mündlichen Geschichtserzählung (Vortrag durch den Lehrer) unter bestimmter Fragestellung oder Perspektive

· Vergleich von Quellen oder weiteren Informationen mit vorliegenden Schulbuchtexten

· Aufzeigen des Problems der historischen Wahrheitsfindung durch sich widersprechende Berichte des selben Ereignisses (z. B. Leipziger Disputation: Vergleich zwischen Ecks Wahrnehmung und Luthers Sichtweise von der Disputation)

· Nacherzählen historischer Ereignisse aus unterschiedlichen Positionen (Kreuzzugteilnehmer und Bewohner Jerusalems; Hussit und ein Konzilsteilnehmer erzählen vom Konstanzer Konzil)

· Vergleich historischer Vorgänge aus der Sicht unterschiedlicher fundamentaler Überzeugungen (z. B. sozialgeschichtliche, marxistische und kirchengeschichtliche Berichte über den Bauernkrieg erarbeiten)

 

2. Regionaler Kirchengeschichtsunterricht

Der so häufig geforderte Gegenwarts-, Alltags- und Ortsbezug eines kirchengeschichtlichen Religionsunterrichtes, der zur Identitätsfindung beitragen kann und religiöse Erfahrungen ermöglicht, kann besonders in einem regionalen Kirchengeschichtsunterricht verwirklicht werden.

Methodische Möglichkeiten:

· Einbeziehen des Wissens der Schülerinnen und Schüler (sie wissen häufig mehr als manche ortsfremde Lehrkraft)

· ‚oral history’ als mündlich selbst erhobene Geschichte z. B. durch Befragung der Großeltern oder anderer Zeitzeugen, Fragen nach Personen und Ereignissen stellen, die sonst unbefragt bleiben

· ‚oral history’ als Form entdeckenden und forschenden Lernens, die individuelle und kollektive Geschichte verknüpft und damit zur Identitätsbildung beiträgt (Die Befragung von Zeitzeugen setzt die Fähigkeit zur Empathie voraus, zwingt die Schülerinnen und Schüler zur Stellung- und Parteinahme und fördert die Motivation)

· Aufsuchen außerschulischer Lernorte: Recherche in Archiven zu Themen wie ‚Reformationsgeschichte des eigenen Wohnortes’

· Vorbereitung einer Ausstellung als Projekt (z. B. über das Schicksal jüdischer Kinder vor Ort, Aussiedler oder auch anderer Minderheiten vor Ort);

· Herstellen von Karten, die die heimatliche Region kirchengeschichtlich erschließen;

· Besuch eines Klosters in der Heimatregion


3. Quellenarbeit

Die Begegnung der Schülerinnen und Schülern mit geschichtlichen Quellen kann die vielfach geforderte Methodenkompetenz fördern, da sie nicht nur methodische Fähigkeiten, sondern auch autonomes und produktives Denken schult sowie Kritikfähigkeit anbahnt. Dabei ist nicht nur an die Arbeit mit Texten gedacht, die auf kognitive Fähigkeiten abzielt, sondern auch an verbale, ikonische und haptische Quellen wie historische Aufnahmen, Bilder und Gegenstände. Die Auswahl der Quellen stellt einen wichtigen Aspekt der Unterrichtsvorbereitung dar, da die jeweilige Herkunft und Standortgebundenheit der Quellen zu berücksichtigen sind. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich mit der Frage nach der Absicht derer, die die Quellen verfassten, sowie mit der Perspektive, aus der heraus geschrieben wurde, auseinandersetzen und diese gegebenenfalls mit Schulbuchtexten vergleichen. Die bildhaften Quellen sollten nicht nur zur Illustration von Lerninhalten oder didaktisch zur Motivation zu einem Thema verkürzt eingesetzt und funktionalisiert werden, sondern sie sind Ausdruck einer künstlerischen Verdichtung und daher geeignet, Positionen oder Ereignisse bildhaft in Erinnerung zu halten. Des Weiteren können sie ästhetisches Lernen fördern. Methodisch gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die im Kapitel „Mit Bildern der Kunst arbeiten“ im Grundsatztext „Methoden im Religionsunterricht“ skizziert werden.

Eine besondere Form der Quellenarbeit stellt der Umgang mit Kirchenmusik dar.

Im Hinblick auf kirchengeschichtliche Themen im Religionsunterricht liegt der Schwerpunkt beim Hören und Arbeiten mit der Musik auf der Einordnung in ihre Entstehungszeit und/oder auf ihrer Wirkungsgeschichte. Die Unterrichtsvorbereitung sollte durch folgende Überlegungen geleitet sein:

In welcher Zeit und unter welchen Umständen ist die Musik entstanden? Wer war der Komponist, was weiß man über seine Haltung zum Glauben und zur Kirche in seiner Zeit? Wie drückt sich das in seiner Musik aus? Wer war der Auftraggeber, wer die Zielgruppe? Zu welchen Anlässen begegnet einem heute die Musik? Welche Gestalt hat die Musik? Wie ist das Verhältnis Wort-Text?...

Nachfolgend eine Auswahl von kirchenhistorisch relevanten Musikbeispielen:

Gregorianik, Orthodoxe Gesänge, Hildegard von Bingen, Pilger- und Kreuzfahrermusik, Monteverdi, Luthers Kirchenlieder, Paul Gerhardt, J. S. Bach, G. F. Händel, Brahms, Gospels, Bonhoeffer, Jochen Klepper, Taizé- Musik, Arvo Pärt usw.

 

Literaturhinweise:

Adam, Gottfried, Lachmann, Rainer, Methodisches Kompendium für den Religionsunterricht (2., durchgesehene Auflage, Göttingen 1996)

Dam, Harmjan, Kirchengeschichte lebendig. Schönberger Impulse (Frankfurt a. Main 2002)

Lachmann, Rainer, Gutschera, Herbert, Thierfelder, Jörg, Kirchengeschichtliche Grundthemen. Historisch- systematisch- didaktisch (Göttingen 2003)

Lenhard, Hartmut, Arbeitsbuch Religionsunterricht. Überblicke – Impulse – Beispiele (2. neubearbeitete Auflage, Gütersloh 1986)

Niehl, Franz Wendel, Thömmes, Arthur, 212 Methoden für den Religionsunterricht (5. Auflage, München 2002)

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