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In der heutigen Zeit steht Meditation als Ausdruck spiritueller Lebensgestaltung nicht (mehr) im Vordergrund; die Methode der Meditation ist keine Selbstverständlichkeit. Während in der Reformationszeit noch die Meditationspraxis des Mittelalters einen großen Einfluss hatte, erfolgte danach ein Bedeutungsverlust der Meditation, der unter anderem auch mit der Kritik an der Mystik einherging. Meditation im eigentlichen Sinn ist daher im Religionsunterricht nicht möglich, jedoch ist zugleich bei vielen Jugendlichen ein Bedürfnis nach meditativer Spiritualität festzustellen. Entsprechende Angebote finden beispielweise bei Kirchentagen oder Taizé-Veranstaltungen große Nachfrage. Auch zeigt sich dieses Bedürfnis im Interesse an fernöstlicher Religiosität. Eine mögliche Aufgabe im Religionsunterricht kann es sein, eine Verbindung von zentralen christlichen Inhalten mit den Meditationstechniken des Mittelalters und auch des Ostens aufzuzeigen. Wichtig ist es herauszustellen, dass Meditation im christlichen Verständnis keine Form der Selbsterlösung sein kann, aber auch nicht „nur“ autogenes Training oder eine andere Art von Entspannungsübung ist.
Ergänzend zu den meist kognitiven Formen der intellektuellen Aneignung religiöser Inhalte im herkömmlichen Unterricht kann dieser durch ganzheitliche, eher meditative Formen der Aneignung facettenreicher gestaltet werden. Im Vordergrund werden dabei meditative Ansätze stehen, z. B. mit allen Sinnen beten. Auch wird in der praktischen Umsetzung im Unterricht der Übergang zwischen Meditation und Stille bzw. Stilleübungen fließend sein. Bei diesen Methoden richtet sich die Tätigkeit der Schülerinnen und Schüler nicht nach außen, sondern nach innen. Angestrebt werden vor allem Persönlichkeitsbildung und vertiefte Erkenntnis, aber auch eine Förderung des Denkens und des Gesprächs, indem selbständiges Denken und klare Formulierungen angeregt werden.
Stilleübungen und andere meditative Formen dienen der Besinnung und inneren Sammlung und ermöglichen so einen gewissen Ausgleich gegenüber dem ständigen Leistungsdruck, dem sich Schülerinnen und Schüler ausgesetzt fühlen. Auch können solche Übungen zu einem Ritual werden, das die Herstellung eines gemeinsamen Erfahrungs- und Lernraums ermöglicht. Dies ist insbesondere im Religionsunterricht wichtig, bei dem die Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Klassen kommend, von unterschiedlichen Erlebnissen aus dem vorangehenden Schulalltag geprägt, sich immer wieder zu einer neuen Lerngruppe zusammenfinden müssen.
Folgende meditative Formen bieten sich zum Einsatz im Religionsunterricht an:
- Wahrnehmungsaufgaben (z. B. einem Klang nachspüren, den eigenen Atem wahrnehmen, den Boden unter den Füßen spüren, das Gehen erleben, das Sitzen erleben)
- Imaginationsübungen (z. B. „Mein heutiger Tag“, „Drei Wünsche“)
- Phantasiereisen (sich auf innere Bilder der Phantasie einlassen; gefühlsmäßiger Zugang zu unterschiedlichen Themen; Beitrag zur Persönlichkeitsförderung, indem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl gestärkt werden; eignet sich als Ruhe- und Konzentrationsübung)
- Impulse zum Nachdenken (z. B. „Ich bin einmalig“)
In diesem Zusammenhang bietet sich auch der Einsatz von Psalmen und Gebeten, kurzen Texten und Geschichten, Liedern, Bildern und Photos oder von Symbolen und Gegenständen aus der Natur an.