Leitidee: Die Sequenz wurde nicht als genetisch-chronologischer Durchgang konzipiert; sie beansprucht also nicht, die Entwicklung der USA bzw. ihrer Außenpolitik vom 18. bis zum 21. Jh. geschlossen abzubilden. Vielmehr konzentriert sie sich auf einzelne Phasen und bemüht sich darum, eine für diese Phase bezeichnende Struktur klar herauszuarbeiten. Im Unterricht sollte also deutlich werden, welchen Stellenwert die USA im internationalen System des 18. Jh. (erster Abschnitt), des späten 19. Jh. (zweiter Abschnitt), im Zeitalter der Weltkriege (dritter Abschnitt), im Kalten Krieg (vierter Abschnitt) und in der Gegenwart (fünfter Abschnitt) jeweils einnimmt; Prüfungsaufgaben könnten sich u. a. damit befassen, die Einflussmöglichkeiten der USA in einer bestimmten Phase mit ihrem Handlungsspielraum in einer anderen Phase zu vergleichen. Der Zeitrahmen und der vom Lehrplan vorgegebene Zuschnitt der Themen machen sehr deutlich, dass die ereignisgeschichtlichen Übergänge von einer Phase zur anderen eher knapp abzuhandeln sind und auch nicht in den Mittelpunkt der Prüfungspraxis treten sollten. Ein Beispiel: Die Geschichte der USA zwischen Unabhängigkeitskrieg (erster Abschnitt) und der zweiten Hälfte des 19. Jh. (zweiter Abschnitt) kann, sofern nach Meinung der Lehrkraft notwendig, im Überblick dargestellt werden. Im Mittelpunkt des Unterrichts sollte jedoch das eigentliche Thema des Abschnitts stehen, zu dem in der Prüfung ggf. auch Detailkenntnisse vorausgesetzt werden. Jeder Versuch, das Lehrplankapitel 12.2.2 in eine genetisch-chronologische Darstellung der US-Geschichte zu verwandeln, wäre für die Schüler, die in der Konsequenz einen oberflächlichen Überblick gewonnen hätten, aber zu wenig Wissen zu den Kernthemen abrufen könnten, ohne rechten Gewinn.
Verhältnis zur Behandlung der Themen in den Jahrgangsstufen 9 und 10:
Die Einheit behandelt Themen der Weltpolitik, die der Schüler in den Jahrgangsstufen 9 und 10 bereits kennen gelernt hat – allerdings aus rein deutscher bzw. europäischer Perspektive. Die Formulierungen der einzelnen Abschnitte fordern nun ausdrücklich dazu auf, eine amerikanische Perspektive einzunehmen und die „Gründe“, „Motive“, „Hintergründe“ (12.2.2) des amerikanischen Handelns darzulegen. Dabei kann deutlich werden, dass deutsche und europäische Partner der USA deren Sichtweise auf die Welt zwar in vielen, aber durchaus nicht in allen Phasen der Geschichte teilten; immer aber sollte sich der Unterricht auch darum bemühen, die Binnenlogik amerikanischer Politik verständlich zu machen: Eine Geschichte der amerikanischen Außenpolitik nicht aus Sicht der Partner und Gegner, sondern des Agierenden; nicht der Blick „von außen“, sondern die Perspektive „von innen“ sollte dominieren. Die von heutiger Geschichtsdidaktik immer wieder geforderte „Multiperspektivität“ kann sich hier an einem schwierigen Gegenstand bewähren.
Aktuelle Relevanz des Themas:
Die Kriege der Bush-Administration seit dem „11. September“ prägen gegenwärtig den Blick auf amerikanische Außenpolitik; vielfach werden sie als konsequenter Abschluss einer seit dem 19. Jh. imperialen, auf den Status einer Weltmacht abzielenden und von jeher stark ideologiebefrachteten Außenpolitik interpretiert, die ihr hegemoniales Streben und ihre materiellen Interessen mit der Verteidigung von Demokratie und Freiheit bemäntele. Der Lehrplan macht deutlich, dass die unterrichtliche Umsetzung solche einseitigen Schwarz-Weiß-Muster vermeiden muss. Die Frage, ob die Politik von G. W. Bush in der Kontinuität amerikanischer Außenpolitik seit dem 19. Jh. steht oder eher einen Bruch markiert, wird selbstverständlich im Unterricht diskutiert werden – die Antwort freilich darf hinter die differenzierten Analysen der Geschichtsforschung nicht zurückfallen (vgl. zuletzt die Überblicksdarstellungen von Bierling, Hacke und Schwabe).
Querverbindungen zu anderen Themenbereichen des Lehrplans: Die Lehrplankonzeption ermöglicht Querverbindungen zu anderen Themenbereichen des Gesamtlehrplans:
- Verbindungen zu 11.2.3: Die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik nach 1949 hängt mit der amerikanischen Politik in Europa unmittelbar zusammen (vgl. zweiter Abschnitt). Die Westbindung der Regierung Adenauer und die damit verbundene Gegnerschaft zum Kommunismus (vgl. fünfter Abschnitt) führten auch im gesellschaftlich-kulturellen Bereich zu einer stärkeren Anlehnung an die USA (vgl. vierter Abschnitt: „Verwestlichung“).
- Verbindungen zu 12.1.1: Ohne Zweifel können die an europäischen Vorstellungen entwickelten Einsichten über die moderne Nationsvorstellung auf die USA angewandt werden.
- Verbindungen zu 12.1.2: das politische Denken der Aufklärung (vgl. vierter Abschnitt) und der Föderalismus (vgl. fünfter Abschnitt) prägen die Verfassung der USA.
Literatur:
Genannt werden nur wenige ausgewählte Titel (Handbücher, Überblicksdarstellungen, aber auch Spezialuntersuchungen), in denen die Intentionen einer Lehrplaneinheit bzw. einzelner Aspekte nach Meinung der Lehrplankommission besonders deutlich zum Ausdruck kommen:
Zur gesamten Einheit:
- Jürgen Heideking / Christof Mauch: Geschichte der USA. 5., erg. Aufl. Tübingen u. a.: Francke 2007.
Speziell zur Außenpolitik der USA im 20. und frühen 21. Jh.:
- Stephan G. Bierling: Geschichte der amerikanischen Außenpolitik von 1917 bis zur Gegenwart. München: C. H. Beck 2003.
- Christian Hacke: Zur Weltmacht verdammt. Die amerikanische Außenpolitik von J. F. Kennedy bis G. W. Bush. 3., aktual. und erw. Aufl. Berlin: Ullstein 2005.
- Klaus Schwabe: Weltmacht und Weltordnung. Amerikanische Außenpolitik von 1898 bis zur Gegenwart. Eine Jahrhundertgeschichte. 2., durchges. Aufl. Paderborn / München u. a.: Schöningh 2006.
Speziell zur Debatte um den Status der USA als „Imperium“:
- Herfried Münkler: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Berlin: Rowohlt 2005.