Leitidee: Im Lehrplankapitel 12.1 soll keine Kulturgeschichte Europas entwickelt werden. Vielmehr sollen, ganz deutlich als Auswahl gekennzeichnet, historische „Komponenten“ vorgestellt werden, die, mit Blick auf langfristige Entwicklungen bis in die Gegenwart, „vielfach als spezifisch europäisch angesehen werden“. Der Lehrplan will nicht mit dem Anspruch auftreten, dass Europas Geschichte überschaue, wer sich mit den hier behandelten Themen befasst hat; er strebt keine „Vollständigkeit“ an – ein Ziel, das ein Lehrplan ohnehin verfehlen muss. Vielmehr bemüht er sich darum, wesentliche Themen zu erfassen – wesentlich im Blick zurück, aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive; wesentlich aber auch im Blick voraus auf Debatten um die künftige Gestalt Europas, an denen konstruktiv-kritisch teilnehmen können soll, wer ein Gymnasium absolviert hat.
Stellenwert der vormodernen Geschichte im Lehrplankapitel 12.1: Das Kapitel greift von allen vier Teilen des Lehrplans am weitesten zurück (antikes Griechenland) und setzt einen Schwerpunkt in der Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Warum eine Beschäftigung mit diesen Epochen sinnvoll und lohnend ist, leuchtet nicht jedem Schüler unmittelbar ein; auch manche Lehrkräfte wünschen einen Unterricht, der sich auf die Zeitgeschichte und ihre unmittelbare Vorgeschichte konzentriert. Das Lehrplankapitel 12.1 macht dagegen deutlich, dass wichtige Debatten der Gegenwart – etwa um europäische Identität, europäisches Selbstverständnis, eine „westliche Wertegemeinschaft“, Vertiefung und Erweiterung des Integrationsprozesses – nur geführt werden können, wenn man zentrale Entwicklungen auch des vormodernen Europas kennt. Insofern sollte der Unterricht auch zeigen, wo solche Entwicklungen „die gegenwärtige Welt mitprägen“ (Vorspanntext 12.1); die Kooperation mit dem Fach Sozialkunde bietet hier zusätzliche Anknüpfungspunkte.